Lebt man in einer Industrienation mit einer halbwegs funktionierenden Demokratie, hält man es für selbstverständlich, bei Wahlen seine Stimme abzugeben und sich darauf verlassen zu können, dass sie das Wahlergebnis genauso beeinflusst wie jede andere abgegebene Stimme auch, egal, welcher Partei man sie nun gegeben hat. Der Dokumentarfilm The Green Wave von Ali Samadi Ahadi zeigt auf eine sehr schmerzhafte Art, wie es hingegen im Iran um Demokratie und Menschenrechte bestellt ist. Anhand animierter und abgefilmter Szenen, Blogeinträgen und Tweets junger IranerInnen und Kommentaren von MenschenrechtlerInnen und JournalistInnen illustriert der Regisseur die Geschehenisse von den Wochen vor und nach der gefälschten Wahl und die grausamen Folgen der Auflehnung der überwiegend jungen Bevölkerung gegen das Regime unter Ahmadineschad.
Die Handlung beginnt mit den Berichten eines jungen Persers und einer Wahlhelferin des Oppositionellen Mir Hussein Mussawi über das Aufkommen der "Grünen Welle". Sie zeigen Menschenmassen, die sich plötzlich wieder für Politik engagieren und voller Optimismus und Hoffnung sind, nach den Wahlen könne sich endlich etwas verändern. Menschen, die grün gekleidet voller Enhusiasmus auf der Straße tanzen. Doch es klingt auch die unterschwellige Angst vor dem durch, was nach der grünen Revolution passieren kann – Schließlich kann der Iran bereits auf eine Revolution mit einem mehr als nur blutigen Ende zurückschauen. Und es kommt auch, wie es kommen muss: Die Wahl fällt trotz der Massen, die für Mussawi gestimmt haben, zugunsten Ahmadineschads aus. Als die Bevölkerung ihre Stimme gegen die offensichtlich gefälschte Wahl erhebt, wird dieser Widerstand mit aller Kraft niedergeschlagen. Polizei, Armee und Milizen verprügeln nicht nur die Demonstranten, sondern schlagen brutal alles nieder, was sich auf der Straße bewegt. Nicht nur Oppositionelle, sondern auch unbeteiligte junge Leute werden einfach festgenommen und gefoltert.
Dieser Film zeigt so himmelschreiendes Unrecht und grenzenlose Brutalität gegenüber der iranischen Bevölkerung, dass man es eigentlich kaum ertragen kann. Trotz – oder gerade wegen – der unkonventionellen Darstellungsform in Form einer Erzählcollage aus Waltz with Bashir-esken, wunderbar unter die Haut gehenden Animationen, teilweise fast poetischen, sehr authentischen Blogeinträgen und wirklich schockierenden Videos von den Protesten ist es kaum möglich, zu dem Geschehen eine Distanz aufzubauen. Hier gibt es nicht die Ausflucht, es wäre ja alles nur ein Film, die hilft, mit dem gezeigten zurechtzukommen. Gerade die Kommentatoren rufen dem Rezipienten immer wieder ins Gedächtnis, dass so etwas furchtbares tatsächlich passiert ist und immer noch passiert. The Green Wave stellt ein mitreißendes, innovativ und ästhetisch inszeniertes Stück brutaler Realität dar, an dem man als Zuschauer streckenweise schlichtweg verzweifelt und das hauptsächlich nachdenklich und traurig macht. Trotzdem: Unbedingt angucken!
Kann nur zustimmen!
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